
Staša Gejo, der Maulwurf des deutschen Nationalkaders
Staša Gejo ist eine serbische Kletterin, die in München studiert und deshalb zusammen mit dem deutschen Kader trainiert. Auch sie ist momentan in Moskau und kämpft um eine Medaille der Europameisterschaft und ein Ticket für die Olympischen Spiele. Wie sie dabei mit den deutschen Athlet*innen umgeht und wie sie zum Thema "Konkurrenz" steht, habe ich sie in einem Interview gefragt.
Per Videoanruf haben wir uns zusammengesetzt und über den Wettkampf und das Team gesprochen. Ihr bekommt also die aktuellsten News, live aus Moskau. Fresher geht`s nicht! Und jetzt genug davon, los geht`s!
Wie lief der Wettkampf bisher für dich?
Der Wettkampf begann mit der Disziplin Speed, was für mich besser lief als ich erwartet hatte. Für den Wettkampf hatte ich mir das Ziel gesetzt die Speedwand mit einer Zeit von 9,50 Sekunden hochzuklettern. Während des Trainings kam ich allerdings nicht mal nahe an mein Ziel heran und dachte: „Das wird unmöglich.“. Aber dann kam ich ins Finale, und das war mein erstes internationale Finale im Speedklettern, und ich kletterte eine Zeit von 9,4 Sekunden. Damit habe ich mein Ziel also sogar übertroffen! Das war ziemlich überraschend für mich, ich habe mch total gefreut!
Das Bouldern habe ich mir ganz anders vorgestellt. Ich dachte, dass uns viel mehr „New-school-boulder“ kombiniert mit vielen koordinativen Bewegungsabläufen erwarten. Stattdessen waren entweder sehr ähnliche Bewegungen aneinandergereiht oder die Boulder waren äußerst anstrengend und von vielen technischen Bewegungen geprägt. Manche Boulder waren für kleinere Athleten leichter zu lösen und für Größere sehr anstrengend, weshalb ich schnell ans Ende meiner Kräfte kam. Ich mochte die Boulder nicht besonders und bin, obwohl ich den dritten Platz gewann, nicht zufrieden mit meiner Leistung.
Lead war ganz gut. Ich war relativ schnell „platt“ aber die Routen an sich waren sehr schön, weil ich in einen guten „Kletterfluss“ reinkam. Letztendlich wurde ich 11. und das ist ok.
Denkst du, du hast eine Chance das Ticket für die Olympischen Spiele zu gewinnen?
Ja. Ich versuche mein Bestes zu geben und ein gutes „Mindset“ zu haben, sodass ich ins Finale komme. Um an dem Wettkampf teilnehmen zu dürfen muss ich mich allerdings erst qualifizieren. Dabei werden alle drei Disziplinen, also Speed, Bouldern und Lead, in einem sogenannten "Overall-Ergebnis" zusammengefasst. Die 20 besten Athlet*innen kommen dann in die "Combined-Qualifikation" und treten abermals in allen drei Disziplinen gegeneinander an, diesmal werden alle Disziplinen an einem einzigen Tag ausgeführt, was den Combined wesentlich anstrengender macht als die Tage zuvor. In der Gesamtwertung, also im "Overall-Ergebnis", starte ich als Zweite in die Qualifikationsrunde, weil einige Athletinnen aus taktischen Gründen nicht angetreten sind. Es lässt sich darüber streiten, ob das wirklich fair ist. Aber das bestätigt nur, dass der gesamte Wettkampf voller Überraschungen steckt. Es kann sich wirklich noch alles ändern, deshalb kann ich auch nicht sagen wer gewinnen wird.
Haben dich andere Athlet*innen in irgendeiner Art und Weise beeindruckt?
Ja, ich bin etwas überrascht wie gut die russischen Athletinnen sind, besonders Viktoriia hat mich sehr beeindruckt. Ich war geschockt, dass sie zwei Disziplinen (Lead und Bouldern) gewann, weil ich vorher noch nie von ihr gehört hatte. Ich hatte erwartet, dass mir bereits bekannte Athletinnen eine gute "Performance" liefern, aber die russischen Athletinnen kamen einfach aus dem Nichts. Das bedeutet für mich, dass ich noch verbissener kämpfen muss.
Bist du zufrieden mit deiner eigenen Leistung?
Ja, größtenteils. Das einzige, womit ich nicht zufrieden bin, ist das Finale im Bouldern. Dort hatte ich schon nach dem ersten Boulder fast keine Kraft mehr, was mich ziemlich ermüdet hat. Ich musste einfach nur meinen Fuß hoch ansetzen, aber es ging durch meine Größe nicht. Dadurch habe ich ziemlich viel Energie für eine einzige Bewegung verbraucht, obwohl ich den Boulder locker im ersten Versuch hätte klettern können.
Gehen wir mal weg von dem Wettkampf und hin zu deinem Training davor. Wie kommt es dazu, dass du in dem deutschen Nationalteam trainierst?
Ich wohne und studiere in München. Ich denke, dass es normal ist mit anderen Athleten zu trainieren, die auch an Wettkämpfen teilnehmen, egal für welche Nation sie antreten. Ich wohne hier und habe deshalb hier meine Trainingsgruppen. Dennoch bin ich sehr dankbar, dass das deutsche Team mich so freundlich aufgenommen hat. Ich fühle mich dort sehr wohl und verstehe mich mit dem Trainer Urs und den anderen Athletinnen wirklich super. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich diese Trainingsmöglichkeit nutzen darf.
Ist das Training vergleichbar mit dem Training, was du aus Serbien kennst?
Ich habe nicht viel in Serbien trainiert. Bevor ich nach Deutschland kam, habe ich für fünf Jahre in Slowenien gelebt und dort im Team trainiert. Da hatte das Training mehr einen empirischen und gesundheitlichen Charakter, weil wir von einem Doktor trainiert wurden. Ich habe schon an vielen verschiedenen Trainingskursen teilgenommen und versuche mir von jedem das Beste mitzunehmen.
Ist innerhalb des Teams eine gewisse Konkurrenz zu erkennen oder geht es bei euch harmonisch zu?
Wir sind keinesfalls Konkurrentinnen, wenn wir das wären könnte ich nicht mit ihnen trainieren.
Wie würdest du reagieren, wenn eine deutsche Athletin gewinnen würde?
Ich habe viele Freunde, die auch Athleten sind. Natürlich können sie auch gewinnen und das muss ich akzeptieren. Das ist ganz normal im Sport, dass man auch gegen Freunde antritt, das heißt aber nicht, dass wir plötzlich zu Feinden werden. Gewinnen und Verlieren gehört einfach dazu. Aber ich freue mich natürlich mehr, wenn eine Athletin aus dem deutschen Team gewinnt, als bei anderen Nationen.
Wie gefällt es dir in Deutschland?
München ist wirklich schön und es gefällt mir hier zu studieren. Besonders die Kletterhalle in Augsburg ist einfach genial! Ich liebe die Routen und die Wände und das hilft mir total mich selbst zu motivieren. Das Training für die Disziplin Lead wurde in den letzten Monaten in Augsburg zu meinem "Lieblingstraining". Das ist mein voller Ernst. Ich liebe es nach Augsburg zu kommen und möchte einfach "Danke" sagen.
Wir sind sehr stolz darauf, eine Gastathletin in unserem Team trainieren zu dürfen. Mit voranschreitender Zeit ist Staša auch einfach zu einer "halben Deutschen" geworden. Wir sind froh, dass sie in der Kletterhalle Augsburg trainiert und freuen uns bei jedem Erfolg mit ihr.